Von Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch und Dr. Dennis Esch
Menschen haben ein natürliches Verfallsdatum. Am Ende unseres Lebens steht der Tod. Bei Marken ist dies anders:
Marken können dauerhaft jung und relevant für Kunden bleiben.
Es gibt kein natürliches Verfallsdatum. Der Schlüssel zur ewigen Strahlkraft liegt dabei nicht allein im Design - sondern in der internen Markenführung. Manager müssen Marken sich ständig ändernden Markt- und Kommunikationsbedingungen anpassen, ohne dabei deren Identität zu verlieren.
Marken wie Weihenstephan, Bosch oder Nivea haben ihre Strahlkraft über Jahrhunderte bewahrt. Neckermann, Punica oder Nixdorf landeten hingegen auf dem Markenfriedhof.
Der Spagat aus Bewahrung und Anpassung ist nicht einfach zu meistern, wie Bahlsen zeigt. Das Traditionsunternehmen ließ im Jahr 2021 die Konsumgüterwelt aufhorchen. Die Marke wurde weiterentwickelt. Das Verpackungsdesign wurde radikal runderneuert, mutiger, jünger und frischer. Nur hat es nicht hinreichend die Marken-DNA reflektiert. Kunden wanderten ab, der Umsatz sank deutlich. Das Management zog die Reißleine und vollzog den Relaunch des Relaunches. Das neue Design greift wieder stärker DNA-spezifische Merkmale der Marke auf. Der entstandene Schaden für das Unternehmen ist erheblich. Treue Konsumenten wurden verwirrt und gingen möglicherweise dauerhaft verloren.
Bahlsen steht exemplarisch für viele gescheiterte Versuche, Marken weiterzuentwickeln: Unternehmen opfern ohne Not Markenwerte und konstituierende Markenmerkmale, teilweise mit verheerenden Folgen.
So warf Jaguar im Jahr 2024 mit neuem Kampagnenauftritt und einem Prototyp-Modell alles über Bord, was die Marke ausmachte. Der Kommunikationsauftritt erinnerte eher an einen Modehersteller als eine Premium-Automobilmarke. Dabei leben gerade exklusive Marken von ihrer Herkunft und Wurzeln. Kommentare auf YouTube wie „This isn't an ad, it's Jaguar's funeral.“ zeigen das blanke Entsetzen der Jaguar-Fans. Sie zeigen auch, dass die Marke etwas zu verlieren hat: ihr gutes Image und die klaren Vorstellungen, die mit ihr verknüpft werden.
Welche Konsequenzen lassen sich daraus für Unternehmen ziehen?
Die Weiterentwicklung von Marken ist über alle Branchen hinweg eine fortlaufende Herausforderung. Die Kunst liegt darin, an Markenstärken anzuknüpfen, Markenbesitzstände in den Köpfen der Kunden zu wahren und diese zeitgemäß weiterzuentwickeln, um dauerhaft relevant zu bleiben. Gründe für das Scheitern liegen in der strategischen und operativen Steuerung der Marke und somit im Unternehmen. Wir beobachten regelmäßig drei Gründe für Erfolg oder Misserfolg:
Dezidierte strategische Analyse:
Bevor an eine Weiterentwicklung der Marke gedacht werden sollte, bedarf es einer präzisen Diagnose. Ist das Problem strategischer Natur oder hakt es an der Umsetzung? Strategische Ziele und Markenwerte sind mit dem Markenimage und den Kundenbedürfnissen abzugleichen. Je größer die strategische Lücke, desto größer die Veränderungsnotwendigkeit. Größere Veränderungen bedürfen eines Markenrelaunches, kleinere einer Markenrevitalisierung.
Beim Markenrelaunch wird eine Um- oder Neupositionierung im Markt erforderlich, wenn bisherige Maßnahmen nicht die gewünschten Effekte bei Kunden erzielt haben. Ford und Opel sind häufiger in einem solchen Prozess, erfolgreiche Marken wie BMW oder Porsche verfolgen hingegen Markenwerte und Markenpositionierung dauerhaft wie konsequent. Sie positionieren sich nicht ständig um.
Die Marke Jaguar steht für britischen Luxus, Eleganz und herausragende Leistung. Das hat nicht an Relevanz bei der Zielgruppe verloren. Die Neupositionierung als Lifestyle-Marke mit opulentem Modernismus für jüngere Zielgruppen stellt dies auf den Kopf. Deshalb auch der Aufschrei der Jaguar-Community mit mehr als neun Millionen Kommentaren auf der Social Media Platform X. Deren Zahl überschreitet die Zahl der 59.000 Käufer weltweit im Jahr 2024 deutlich. Potenzial am Markt ist somit vorhanden.
Eine Markenrevitalisierung legt den Fokus auf die Umsetzung, z. B. auf Produkte und Kommunikation. Sicherlich hinterlassen Manager mit einem radikalen Wechsel in Corporate Design oder Kommunikation den sichtbarsten Fingerabdruck – bei weitem aber nicht immer den wirksamsten. Das Image und die Zufriedenheit mit der Lufthansa wurden durch den kostenintensiven Neuanstrich der Flugzeuge und anderer Berührungspunkte mit der Marke nicht besser. Die Crux liegt in der Leistung und im Flugerlebnis.
So auch bei Jaguar: Die Modelle haben Staub angesetzt. Der F-Type verschwindet, Jaguar hat genau ein Elektromodell. Das ist zu wenig für die wachsende Nachfrage. Die Kausalität scheint hier klar: Wenn nicht genügend attraktive Modelle angeboten werden, helfen auch Umpositionierung und neue Kommunikation nicht. Was in der Leistung nicht stimmt, kann Kommunikation nicht heilen. Im April 2025 wurden noch 45 Jaguar-Modelle in Europa verkauft. Inzwischen gibt es keine Jaguar-Modelle mehr im Markt zum Kauf.
Manager müssen somit hinterfragen, welche Bereiche des Marketing-Mix den größten Beitrag leisten, um eine Marke zeitgemäß weiterzuführen. Das setzt eine nüchterne Analyse und den ungeschminkten Blick in den Spiegel voraus.
Berücksichtigung des Markenkerns:
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kenntnis der Markeninhalte und Markenelemente, die aus Kundensicht markenprägend sind. Bei BMW sind dies u.a. die Markenniere sowie Eigenschaften wie Sportlichkeit und Dynamik, die sich in Design und Leistung ausdrücken. Bei Coca-Cola sind es die Freude, die Farben Rot und Weiß oder die Konturflasche. Diese sind bei der Weiterentwicklung der Marke zu berücksichtigen.
Bahlsen hat dies im zweiten Anlauf gemacht. Umfängliche Kundenstudien förderten die konstituierenden Markenelemente zu Tage: Die traditionelle Markenfarbe Blau wurde als verbindliches Markenelement reaktiviert, die Genussmomente wurden durch größere Produktabbildungen wie früher in den Vordergrund gerückt und die Verpackung nahbarer und alltäglicher gemacht.
Wirksame Brand Governance:
War ein Markenrelaunch erfolgreich, waren es alle. Beim Misserfolg waren es wenige oder nur einer. So weit verbreitet solche Attributionen sind, so wenig stimmen sie.
Vielmehr hängt das Gelingen eines Relaunches wesentlich davon ab, wie gut die Brand Governance in einem Unternehmen ist. Sie schreibt fest, wie mit einer Marke umzugehen ist und welche Regeln es zu beachten gilt. Es geht um die wirksame Steuerung der Marke im Unternehmen und im Markt, darum, die Marke vor Missbrauch zu schützen. Dazu ist der richtige Umgang mit der Marke wirksam zu verankern. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Markenhandbuch. Dieses dokumentiert Markenwerte, markenprägende Elemente und den Umgang mit der Marke durch Dos und Don’ts. Es ist das strategische Gedächtnis einer Marke – es muss leben, aktualisiert werden, verpflichtend sein. Viele Markenhandbücher werden allerdings ihrer Rolle nicht gerecht. Sie ähneln oft einem CD-Handbuch und liefern kaum Vorgaben für zu berücksichtigende Markeninhalte und den inhaltlichen Umgang mit der Marke. Sie sind völlig sinnentleert.
Daraus resultiert oft ein mangelndes Verständnis, was aus Sicht der Kunden gelernte und konstituierende Elemente der Marke sind, die geschätzt werden. Je schlechter das Markenhandbuch und dessen Nutzung ist, umso größer sind die Möglichkeiten des Wildwuchses. Das schadet der Marke.
Fazit:
Die zeitgemäße Weiterentwicklung von Marken ist kein Selbstläufer. So notwendig diese ist, so herausfordernd ist es, den Spagat zwischen Wahrung der Marken-DNA und notwendigen Veränderungen zu meistern. Die Gründe dafür sind meist hausgemacht. Und das ist die gute Botschaft: Mit einem systematischen Ansatz und klar definierten Prüfschritten ist dies beherrschbar.
Marken wie Krombacher zeigen, wie es geht. Die notwendigen internen und externen Prüfschritte zur Aktualisierung der Marke wurden vollzogen. Markenassets wie der Krombacher See, das Eintauchen in die Natur und Designelemente wurden verstärkt und zeitgemäß weiterentwickelt. Entsprechend hoch war die Akzeptanz bei den Zielgruppen.