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Produktlinienerweiterung

Voraussetzungen von Produktlinienerweiterungen

Unter Produktlinienerweiterungen versteht man eine spezielle Form der Markendehnungen.  Bei einer Produktlinienerweiterung geht es um die Dehnung einer Marke in einem bestehenden Produktbereich, indem eine neue Produktvariante eingeführt wird. Für die erfolgreiche Einführung müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Vorliegen unbefriedigter Konsumentenbedürfnisse
  2. Relevanz der Marke zur Befriedigung jener Bedürfnisse
  3. Wettbewerbsvorteil der Marke gegenüber der Konkurrenz

Fast immer beziehen sich Produktlinien auf bestimmte Nutzungs- und Geschmacksvarianten. Beim Mineralwasser von Gerolsteiner wurden neben dem Gerolsteiner Sprudel beispielsweise die Produktlinien „Gerolsteiner Medium“, „Gerolsteiner Fit“, „Gerolsteiner Moment“ und „Gerolsteiner Linée“ eingeführt. Auch sind unterschiedliche Verpackungsformen und -einheiten realisierbar, die aus der Variation von Größen und Mengen resultieren. Eine Sonderform von Produktlinienerweiterungen sind „Limited Editions“, die das Sortiment um zeitlich begrenzte Varianten erweitern.

Vorteile und Nachteile von Produktlinienerweiterungen

Der größte Nutzen von Produktlinienerweiterungen liegt wohl darin, dass sowohl die Marktanteile erhöht werden, als auch weitere Teile des Marktes abgedeckt werden können.

Andererseits fallen für Herstellung, Lagerung, Vertrieb etc. auch höhere Kosten an, als wenn nur eine Produktlinie geführt würde. Die größte Gefahr jedoch, die von Produktlinienerweiterungen ausgeht, liegt in der drohenden Verwässerung des Markenimages. Dies kommt vor, wenn Produkte neueingeführt werden, die in Widerspruch zu dem bei Kunden aufgebauten Markenbild stehen. Aus diesem Grund ist vor der Integration eines neuen Produktes in die Produktlinie zu gewährleisten, dass ebendieses mit der Marke in Einklang steht. Die Vorstellung der Konsumenten in Bezug auf die Marke können im Vorhinein zur Sicherheit empirisch erfasst werden und durch entsprechende Aufklärung und Akzeptanz der Kunden können Imageschäden vorgebeugt werden. Ob, und inwiefern das Image jedoch langfristig verändert wird, ist schwer zu prognostizieren.

Eine weitere Gefahr in Bezug auf Produktlinienerweiterungen stellt der Kannibalisierungseffekt dar. Dieser tritt auf, wenn die neue Linie gleiche oder zumindest ähnliche Bedürfnisse anspricht, wie bereits vorhandene Produkte. Somit greift die neue Produktlinie die Zielgruppe der bestehenden ab, was das mit der Produktlinienerweiterung angestrebte Ziel vereitelt. Allerdings ist auch eine proaktive Form der Kannibalisierung denkbar, wenn diese durch Produktlinienneueinführungen bewusst herbeigeführt wird. Diese führt langfristig sogar zu einer besseren Ausschöpfung des Marktpotentials und geht stets mit Innovationen einher, was bei der Neueinführung von Nivea Soft neben der klassischen Nivea-Creme der Fall war. Das erfolgsversprechende Potenzial hat sich dabei nicht bloß erfüllt, sondern sogar übertroffen und die geringe Kannibalisierungsrate ging vielmehr zu Lasten der Konkurrenz, als der Marke selbst zu schaden.

Alternativen zur Produktlinienerweiterung

Stellt sich heraus, dass die Produktlinienerweiterung aufgrund genannter Gründe nicht sinnvoll ist, sollte aus Rücksicht auf die Marke auf die Aufnahme des neuen Produktes in die Produktlinie verzichtet werden. Statt die Planung dann jedoch vollständig zu verwerfen, kann die Stammmarke um eine Super- oder Sub-Brand erweitert werden, was bei entsprechender Kommunikation zum Erfolg führt. So hat Boss mit seiner Sub-Brand Hugo Boss gezielt jüngere Konsumenten ansprechen können, ohne dabei das Image der Stammmarke zu verwässern. Ebenso ist die Schaffung einer völlig neuen Marke eine Option; vorausgesetzt, ein breites und attraktives Marktsegment liegt vor. Diese wird dann in einer Mehrmarkenstrategie neben die bereits vorhandene(n) Marke(n) gesetzt und bewahrt vor dem gleichen negativen Nebeneffekt.

Anforderungen an die Umsetzung

Bei der Umsetzung von Produktlinienerweiterungen sind drei wesentliche Kriterien zu beachten.

  1. Wahrung der Selbstähnlichkeit: Die charakteristischen Markenassets, die alle Produkte einer Linie aufweisen, müssen auch bei der Erweiterung um eine neue Produktlinie erhalten bleiben. Ziel ist es auch hierbei, eine potenzielle Verwässerung des Markenimages zu vermeiden. Die Selbstähnlichkeit gilt als gewährleistet, wenn Kunden Produkte auch bei abgedeckten Markennamen als einander zugehörig klassifizieren können.
  2. Erhaltung der Differenzierungskraft: Trotz der angestrebten Selbstähnlichkeit müssen Produktvarianten in gewisser Weise voneinander differenzierbar sein, damit Kunden diese nicht verwechseln. Dies bezieht sich vor allem auf die kommunikative Gestaltung von Bezeichnungen, Werbebotschaften und Verpackungen.
  3. Mental Convenience: Als letzten Punkt sollte Mental Convenience, sprich, eine entlastende Gestaltung der Informationsmenge und -qualität angestrebt werden. Konsumenten sollen die Kernbotschaften zum Anwendungsbereich, dem Nutzen und dem Hauptunterscheidungsmerkmal zu anderen Produkten leicht entschlüsseln können, ohne dass große gedanklichen Anstrengungen notwendig sind. Dies ist von großer Bedeutung für das Verständnis und die Akzeptanz unter Kunden, da sie der Entscheidung am PoS nur wenige Sekunden widmen und ihre Wahrnehmung bei einem Eindruck von Unübersichtlichkeit automatisch irrelevante Alternativen ausfiltert („tunnel vision“).

Alles in allem wird Programmklarheit also nur dann erzielt, wenn

  • die Anzahl an Varianten sinnvoll nach Bedarf festgelegt wurde,
  • die Angebote klar und nutzerorientiert benannt sind,
  • Unterschiede klar visualisiert wurden
  • und auch das Markenbild gewahrt wird.

Quelle: Esch, F.-R. (2018): Strategie und Technik der Markenführung, 9. Auflage, Vahlen Verlag, München.

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