The Next Big Thing? Nun ist es raus: The next big thing bei ESSO. Der neue Slogan lautet „Energie für die Sinne.“
Ich stamme noch aus der Generation, wo man bei ESSO den Tiger in den Tank packte (Pack den Tiger in den Tank.). Damals gab es Werbespots, wo man sehen konnte, wie der Tiger im wahrsten Sinne des Wortes von der Zapfanlage in den Tank gelangte und dort zur Überraschung des Fahrers brüllte. Man tankte eben die Kraft des Tigers. Wenn das Auto die Tankstelle verließ, sah man statt Reifenspuren die Tatzen eines Tigers. Großes Kino – gerade für Kinder wie mich damals. Der Tiger war omnipräsent an der Tankstelle, es gab Tigerhefte und Sammelpunkte mit dem Tiger – mein Vater kam an den ESSO-Tankstellen nicht mehr vorbei. Der Tankwart wusste immer direkt, was ich wollte.
Dieser Slogan erschließt sich mir weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Nun kennt ja Kreativität keine Grenzen. Und es ist auch sicherlich gut so, dass bei der Ideenfindung das Motto der Kreativitätsforschung gilt: Quantity breeds Quality. Allerdings folgt dann dieser Phase die notwendige Bewertung.
Offen gestanden frage ich mich, ob man diese Phase bei ESSO übersprungen hat. Denn würde man hier die Fragen nach der Passung zur Marke, nach der Relevanz für Kunden, nach der Abgrenzung zum Wettbewerb und nach der langfristigen Verfolgbarkeit stellen, hätte man diese Idee rauskicken müssen. ESSO bzw. Energie und Sinnlichkeit ist ungefähr so passend, als würde man den Bundespräsidenten bei Olympia über 100 Meter antreten lassen. Und relevant ist es für Kunden auch nicht: Bei Langnese Magnum erwarte ich ein sinnliches Erlebnis, aber bei Benzin oder Diesel? Differenzierend ist es tatsächlich, auf diese Idee kam wirklich noch kein Wettbewerber, ich vermute, es wird auch keiner nachahmen. Aber langfristig verfolgbar und umsetzbar? Spätestens bei Strom wird es schwierig, der riecht nun wirklich nicht, man hört ihn nicht usw.
Trotzdem habe ich mich auf den Weg zu ESSO gemacht, um den „Proof of Concept“ vorzunehmen – in der harten Realität. Die Tankstelle, die ich besuchte, war kein sinnliches Erlebnis: Die Zapfsäule röhrte wie bei den Wettbewerbern, ich roch Benzin und Diesel. Als ich die Tankwartin fragte, was denn nun Energie für die Sinne bedeutet, schaute mich diese an als käme ich von einem anderen Stern. Es gab auch keine Duftstäbchen zur Rechnung, das wäre nun wirklich sinnlich gewesen.
Nach dem Tanken beschließe ich, das nächste Mal wieder zu Aral zu fahren – wie immer. Vor allem frage ich mich aber, wer dies im Management von ESSO entschieden hat, welches Gremium diesen grandiosen Slogan freigegeben hat. Vor allem sind dies aber Momente, wo ich mich frage, wie es um die Professionalität des Marketing steht.
Und hier sind wir abschließend wieder bei den Touchpoints: Der wichtigste Kontaktpunkt bei ESSO ist nun einmal die Tankstelle. Es ist eben nicht die Website, auf der man unter dem Reiter „Energie für die Sinne“ eintauchen kann in die Formel 1 Welt und eine Fahrt auf einem Formel 1 Parcours auf YouTube aus der Fahrerposition heraus miterleben kann (unsere Studie zum Customer Touchpoint Management und zur Digital Brand Leadership ist auf www.esch-brand.com abrufbar).
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