Meine Top 10 Highlights und Lowlights
Gestern Nacht war es mal wieder soweit. Eines der spektakulärsten Events des Jahres, der Super Bowl, fand im 20 Grad warmen Tampa Bay in Florida statt. Beim Battle der Jahrhundert-Quarterbacks führte der 43-jährige Tom Brady seine Buccaneers mit seinem historischen siebten Triumph in die Geschichtsbücher. Doch nicht nur für Football-Fans ist der Superbowl ein absolutes Fest und Ausnahmeevent. Auch Marketeers und Liebhaber von guter und schlechter Werbung kommen Jahr für Jahr voll auf ihre Kosten.
Mittlerweile habe ich es mir zum Ritual gemacht, am Tag nach dem Superbowl alle Spots erneut anzuschauen und diese zu reflektieren. Dabei gibt es wirklich sensationell gute Spots, die zurecht in den darauffolgenden Wochen immer wieder zu sehen sind. Aber auch solche, bei denen die durchschnittlich 5,6 Millionen Dollar für 30 Sekunden wahrscheinlich keinerlei Return bringen werden.
Damit Sie Ihre wertvolle Zeit effizient nutzen können, habe ich die aus meiner Perspektive werbetechnisch zehn interessantesten Spots für Sie zusammengestellt.
Der Spot baut mit Momentaufnahmen verschiedener Sportler (wie z.B. Serena Williams) eine Geschichte um das Thema Glück auf und endet bei der Frage: „Are you happy because you win or do you win because you are happy?“. Die Aktivierungsstärke ist von Anfang an recht schwach. Der Spot offenbart große Bild-Text-Scheren: man könnte quasi beliebige Bilder über das Gesprochene legen und umgekehrt. Hinweise auf das Produkt bzw. die Marke sind nahezu nicht wahrnehmbar. Es fehlen zudem prägnante Highlights, um den Spot und die Marke im Gedächtnis zu behalten. Erst am Ende wird die Marke mit dem Abbinder enthüllt und man fragt sich: wer oder was ist eigentlich Michelob Ultra? Versuchen Sie doch mal während des Spots zu erraten, um welche Art von Produkt es sich handeln könnte 😉
Werbespot Michelob ULTRA: “Happy” Super Bowl
T-Mobile war während des Superbowls mit drei unterschiedlichen Spots unterwegs. Alle sind gut und funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Direkt am Anfang wird der Zuschauer mit einer spannenden Frage aktiviert, die ihn quasi zwingt bis zum Schluss dabei zu bleiben (z.B. fragt Tom Brady seinen langen Weggefährten Rob Gronkowski vor Beginn dieser Saison, was sein nächster Karriereschritt sein sollte). Sehr kurzatmig gelingt dann ein humorvoller Twist in der Storyline, der auf die finale Kernbotschaft hinleitet und sehr gut mit der Marke verknüpft und abgerundet wird. Die Spots haben des Weiteren zwei zentrale Stärken. Erstens: eine leichte Informationsaufnahme und -verarbeitung. Wenn Sie sich im Vergleich den Superbowl-Spot von Paramount+ ansehen, wird es Ihnen deutlich schwerer fallen zu verstehen, was hier die Botschaft sein soll. Zweitens: die Differenzierung vom Wettbewerb. Vergleicht man T-Mobile mit dem 5K-Spot von Verizon mit Samuel L. Jackson‘s CGI-Figur, wird der Qualitätsunterschied deutlich. Lediglich die Absendererkennbarkeit und der Einsatz markenspezifischer Elemente könnte bei T-Mobile am Anfang besser ausgeprägt sein.
Werbespot T-Mobile: Tom Brady & Rob Gronkowski | Big Game Ad
Werbespot T-Mobile: Team Anthony Anderson vs. Team Mama
Werbespot T-Mobile: Adam Levine Sets Up Gwen Stefani & Blake Shelton
Benchmarks für die Markenwahrnehmbarkeit liefern in diesem Jahr M&M’s und Bud Light ab. Nahezu von dem ersten Moment an wird deutlich, wer hier wirbt. Es gibt keinerlei von der sogenannten „falschen Bescheidenheit beim Absender“. Klarer und signalspezifischer kann man seine Marke kaum darstellen und positionieren.
Werbespot Bud Light: Bud Light Legends – Super Bowl LV
Werbespot M&M’s: M&M’S Super Bowl 2021 (featuring Dan Levy) – “Come Together”
Der Spot aktiviert von der ersten Sekunde an, indem Will Ferrell mit einer provokanten Aussage startet: „Norway sells more electric cars per capita than the US.“ Spannend und humorvoll geht es dann bis zum Schluss weiter. Zwischendurch steht GM immer mal wieder (leider etwas zu selten) als Protagonist attraktiv und mit einem Schuss Selbstironie im Fokus und prägt sich zum Ende mit einer klaren Message in die Köpfe ein. Leider ist der Spot etwas zu lang. Unwichtige Nebencharaktere spielen eine zu große Rolle, an vereinzelten Stellen entstehen leichte Dissonanzen und negative Wahrnehmungsatmosphären. Sehr schade, aber trotzdem ein gelungener Spot.
Werbespot GM: Will Ferrell Super Bowl Ad
Mit Schnitt 1 herrscht eine negative Wahrnehmungsatmosphäre, die erst nach 18 Sekunden durch einen kognitiv überraschenden Reiz in positive Emotionen umgewandelt werden soll, was leider nicht funktioniert. Wir wissen aus unserer Forschung, dass negative Emotionen in der Werbung zu negativen Emotionen gegenüber Marken führen. Man sollte dies also vermeiden. Dabei ist es übrigens egal, ob das negative Wahrnehmungserlebnis am Anfang oder am Ende stattfindet, wie bei dem „Doritos 3D“-Spot (mit einem im Automaten eingepferchten Matthew McConaughey).
Werbespot Vroom: Vroom Super Bowl Commercial | Dealership Pain
Werbespot Doritos: Doritos 3D | Flat Matthew Super Bowl LV
TurboTax schafft es von Sekunde 1 seine Message „Spreading Tax Expertise Across The Land“ sehr einfach, verständlich und humorvoll auf den Punkt zu bringen. Natürlich ist der Spot kein absoluter „Totlacher“. Er zeigt aber eindrucksvoll, wie man als Marke für ein eher trockenes und ungeliebtes Thema eine tolle Werbewirkung bei der Zielgruppe durch die Einhaltung werbetechnischer Kriterien erzielen kann.
Werbespot TurboTax: TurboTax Super Bowl Commercial „Spreading Tax Expertise Across The Land“
Viele Marketeers beurteilen die Qualität eines TV-Spots nach persönlichem Gefallen auf Basis des „Gefällt mir/Gefällt mir nicht“-Prinzips. Diskussionen finden auf Grundlage des individuellen Geschmacks statt. Da sich über Geschmack bekanntlich (nicht) streiten lässt, empfehlen wir unseren Kunden immer die Bewertung eines TV-Spots (oder generell eines Touchpoints) anhand der sozialtechnischen und strategischen Kriterien der Werbung (Empfehlung: Franz-Rudolf Esch: Strategie und Technik der Werbung).
Diese lauten stark vereinfacht folgendermaßen:
Sozialtechnische Kriterien:
Strategische Kriterien:
Unsere Erfahrung aus zahlreichen Markenprojekten zeigt: Wenn Sie diese Kriterien beherrschen, liegen Sie zu 98 Prozent richtig, ob eine Werbung einen Impact erzielen wird oder nicht. Teure Pre-Tests (bei denen eh häufig das gemessen wird, was rauskommen soll) können Sie sich damit zukünftig sparen. Und: Ihre Prognosen werden deutlich besser als mit der gängigen „Gefällt mir/Gefällt mir nicht“-Methode.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei Ihrer persönlichen Werbeanalyse!
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