Dr. Jana Tabellion
„Wir befinden uns im Jahre 2020 n.Chr.. Ganz Deutschland redet nur noch über Corona und den bedrohlichen Virus. Ganz Deutschland? Nein! Einige unbeugsame Influencer hören nicht auf, dem Virus Widerstand zu leisten.“
Bis zum März dieses Jahres verging kaum ein Tag, an dem nicht über mindestens einen Fauxpas im Influencer Marketing berichtet wurde – mehr oder weniger medienpräsent. Durch den Einzug von Corona stand Deutschland gefühlt still. Marketing, Kampagnen – oder auch ganz allgemein „der Alltag“ – verschwanden einige Tage komplett aus dem Relevanzfeld oder der Wahrnehmung der meisten Deutschen. Wenig überraschend, dass die Marketing-Disziplin, die auf Stillstand einen Aufschrei folgen lässt, das Influencer Marketing ist.
Influencer Marketing löst viele Herausforderungen, denen Marketer gegenüberstehen: Relevante Zielgruppen können spezifisch angesprochen werden, die Ansprache fühlt sich individuell und persönlich an, sie erfolgt über (meist) glaubwürdige Personen und kann mit zeitgemäßem Content, schönen Bildern und Erklärungen gepusht werden. Und: Durch den direkten Kontakt zwischen Influencer und Follower kann ein direktes Feedback erfolgen – sei es über die Klickzahlen, die Verlinkungen zu Webshops oder Produkten oder durch die Likes und Kommentare der Postings.
Was häufig als Vorteil angeführt werden kann, bringt hier aber auch Nachteile mit sich – denn das Feedback ist nicht immer zwangsläufig positiv. Zum Beispiel dann, wenn Zutat Nummer 2 hinzukommt.
Corona dominiert die Medien – Maßnahmen und Konsequenzen müssen an dieser Stelle deshalb nicht weitergehend beschrieben werden. Wohl aber, was passiert, wenn Influencer zu Hochzeiten der Corona-Krise fleißig weiter Marketing machen.
In einigen Fällen führte das nämlich zu Shit-Stürmen bis hin zu Shit-Hurrikans. Ein Paradebeispiel lieferte z. B. Sarah Harrison, die Mitte März einen Streaming-Dienst auf Instagram bewarb. Was auf den ersten Blick passend erscheinen mag (schließlich hat man durch die Krise zu Hause mehr Zeit zum Streamen), revidiert sich im Kontext. Die Influencerin selbst saß zu diesem Zeitpunkt noch Sonne-tankend am Strand von Dubai. Die Folgen für die Marke selbst standen in dem Moment nicht im Vordergrund, zu stark war die Aufmerksamkeit um Sarah Harrison selbst. Andere influencende Prominente wie Oliver Pocher fordern notwendiges Fingerspitzengefühl, es ginge zu Krisenzeiten um mehr und wichtigere Dinge, als nur Werbung, Werbung, Werbung.
Das mag sein, doch auch in Krisenzeiten kann die „Werbemethode Influencer“ so eingesetzt werden, dass sie Mehrwerte liefert: für Kunden, Marke und Influencer.
Am besten wirkt Werbung bei uns allen doch dann, wenn sie uns dort abholt wo wir stehen. In der Corona-Krise bedeutet das (zumindest örtlich) meist zu Hause, was über die sozialen Medien schon einmal eine unmittelbare Beziehung zu Influencer Marketing herstellt. Dabei geht es aber nicht, dass Inhalte 1:1 aus Zeiten vor der Krise in das Hier und Jetzt übertragen werden. Auf der anderen Seite entstehen aber neue Chancen, Inhalte zu spielen und gleichzeitig die eigentliche Haltung von Marken stärker in den Vordergrund zu stellen denn je: über die Vermittlung von Purpose.
Für Unternehmen und deren Marken, aber auch genauso für Influencer, bedeutet das, zu hinterfragen, wie man das eigene WHY und die eigenen Werte auf die aktuelle Situation übertragen kann. Optimal gelöst wird das z. B. über die App „Sweat“ von Kayla Itsines (von der ich selbst leidenschaftliche Nutzerin bin und mir deshalb die unbezahlte Werbung an dieser Stelle erlauben kann), die ihr Workout-Konzept um Trainings angereichert hat, die keine Geräte benötigen und somit von jedermann und jederfrau auch einfach zu Hause durchgeführt werden können. Geboren aus dem Purpose der Marke „Sweat“, Menschen weltweit durch Sport „schwitzen zu lassen“ und fitter zu machen.
Auch Marken, die weniger direkten Bezug nach Hause herstellen können, ziehen mit. McDonald’s zum Beispiel verfolgt das Mission Statement „to provide a fun and safe environment where our customers can enjoy good food made with quality ingredients at affordable prices.” Was könnte in diesen Tagen eine größere Herausforderung darstellen, als insbesondere eine sichere Umgebung zu schaffen? Da McDonald’s gleichzeitig den Anspruch an sich selbst stellt immer besser zu werden, greifen sie gleich zu mehreren wirksamen Maßnahmen. Zum einen unterstützen sie die Abstandsregelungen, indem sie die Bögen des ikonischen „M“ ihres Logos trennen und somit ein klares Statement setzen. Außerdem bleibt der McDrive geöffnet, was vielen „Daheimbleibenden“ allerdings verborgen bleibt – zunächst. McDonald’s reagiert darauf mit einer kleinen Maßnahme in ihrer App, die nicht mehr das klassische M-Logo abbildet, sondern auf grünem Hintergrund die Worte „McDrive Open“ zeigt. Eine kleine, aber dennoch sehr zielgruppenspezifische und reichweitenstarke Maßnahme.
Ein weiteres Paradebeispiel aus Deutschland ist auch Blogger und Influencer Riccardo Simonetti, dessen Content sich (auch außerhalb der Krise) als äußerst unterhaltsam und amüsant beschreiben lässt. Dieses WHY überträgt er auf die Zeit zu Hause und nutzt z. B. Glätteisen (für die er sonst wirbt), um sich auf gewohnt unterhaltsame Weise ein Toastbrot zu toasten. Auch andere Influencer schaffen es, die Zeit im „Home Office“ zu nutzen, um ihre neuen Freizeitgestaltungen teils ohne Werbung in den Vordergrund zu stellen. Absoluter Sieger daraus ist wohl TikTok – selbst in fast jeden Instagram Feed haben es die Kurzvideos mit tanzenden Influencern bereits geschafft.
Doch auch bei allem Spaß nutzen viele Influencer sinnvoll ihre Reichweite und kommunizieren in der Corona-Zeit eine klare Haltung mit #StayAtHome.
Heißt: Neben all der bezahlten und unbezahlten Werbung, den neuen Freizeitbeschäftigungen und Anzeigen auf Instagram & Co. kann die Kombination aus Influencer, Corona und Purpose auch ein Erfolgsrezept sein – zum Beispiel um die Follower durch „gemeinschaftliches Zuhausebleiben“ zusammenzubringen.
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