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Freude am Fahren: heute anders als morgen?

Druck allenthalben

Die Automobilindustrie steht unter Druck. Laut Kraftfahrt-Bundesamt haben die Deutschen im ersten Halbjahr 2013 nur 1,5 Millionen Neuwagen zugelassen – das sind acht Prozent weniger als im Vorjahr. Beim Gebrauchtwagen-Markt sieht es kaum besser aus. Zudem kommt der teure Vertrieb über die Autohäuser. Hier schaffen es die Händler aufgrund der sich verschärfenden Marktsituation kaum noch, den Anforderungen der Hersteller an markenkonforme Umsetzungen gerecht zu werden.

Die Zukunft lässt grüßen.

BMW reagiert nun auf diese Entwicklungen mit seinem „Future Retail“-Plan als Alternative zu dem teuren Vertrieb über die Autohäuser. Stattdessen soll der zukünftige Kunde sein Auto im Onlineshop von BMW bestellen. Zunächst wird hierüber das Elektroauto i3 vertrieben werden, laut BMW-Deutschland-Vertriebschef Roland Krüber ist dies aber nur der Anfang. Für das persönliche Beratergespräch ist eine Mobile Sales Force geplant, bei der der Kunde den Berater zu sich nach Hause oder ins Büro bestellen kann. BMW-Niederlassungen in kleinen Städten sollen langfristig verkauft oder geschlossen werden, stattdessen wird es BMW Brand Stores in den großen Metropolen geben, die die Marke erlebbar machen.

Kundenbedürfnisse im Wandel.

Neben den wirtschaftlichen Veränderungen des Marktes reagiert BMW hiermit aber auch auf das sich ändernde Kauf- und Nutzungsverhalten seiner Kunden. Diese sind es längst gewohnt, alles bequem von zu Hause aus erledigen zu können: 90 Prozent der Autokäufer informieren sich zunächst online – ob auf der Website des Herstellers oder in Foren. Über die Möglichkeit der digitalen Konfiguration bieten Hersteller die Möglichkeit, sich sein Wunsch-Auto zusammenzustellen. Diese Option wird auch gerne gezogen. Der Onlineshop fürs Auto scheint also nur ein logischer Schluss.

Von Brand oder Pop-up Stores zu digitalen Showrooms.

Offline erlebt der Kunde die Marke zukünftig – und teilweise auch schon heute – in Brand oder Pop-up Stores. Diese finden sich in den großen Metropolen, stellen nur die besten Modelle aus, werden aufwändig und teuer inszeniert und sind – anders als die meisten Autohäuser – leichter im Sinne eines konsistenten Markenerlebens steuerbar. Zudem verschmelzen in diesen Markenwelten die Grenzen zwischen dem online und offline Markenerlebnis. So kann man z.B. im Digital Showroom von Audi aus über 1.000 Konfigurationsmöglichkeiten sein individuelles Auto zusammenstellen und sich dort in einem 1:1 Maßstab anschauen.

Soweit so gut.

Wo bleiben die multisensualen Eindrücke?

Es drängt sich allerdings die Frage auf, welche Rolle das Auto an sich noch hat und inwieweit dieses zukünftig vom Kunden erlebt wird. Interessiert man sich aktuell für ein bestimmtes Modell, besucht man den Autohändler seines Vertrauens. Hier schaut man sich sein bevorzugtes Modell an, riecht das Leder der Sitze, hört das erste Mal den Sound des Motors und fährt mit der Hand über die Kurven des Designs. Gekrönt wird dieses Erlebnis mit einer Probefahrt. Oftmals beginnt so eine langjährige Liebesbeziehung zwischen Besitzer und dem Automobil. Aber auch bei Menschen ohne „Benzin im Blut“ sollte die Bedeutung dieses multisensorischen Erlebnisses nicht unterschätzt werden: Die Probefahrt zählt zu einem der entscheidendsten Kontaktpunkte für den Autokauf.

Erleben begeistert.

Porsche hat die bestehende Bedeutung dieses Fahrt-Erlebnisses erkannt und bietet in seinem Kundenzentrum des Porsche Brand Land eine Teststrecke an, auf der der Kunde die Fahrzeuge selbst mit allen Sinnen erleben kann. Es geht aber auch eine Nummer kleiner: so verloste Mobile.de unter seinen Facebook-Fans beim Gewinnspiel „Mein Leben in Autos“ eine Rallye, bei der die Gewinner den ganzen Tag zwischen 13 der begehrtesten Autos wechseln und sich so für ihr nächstes Auto inspirieren lassen konnten. Begleitet wurde die Aktion auf Facebook, youtube und twitter. Neben der ansteckenden Begeisterung der Teilnehmer hat es Mobile.de so auch geschafft, den Claim „Welcher ist dein nächster?“ zum Leben zu erwecken und zu transportieren.

Mehrdimensionale Entscheidungsräume:
Manches geht, anderes vielleicht nicht.

Die Automobilbranche und somit auch das -marketing stehen also vor großen Herausforderungen und müssen sich den wandelnden Bedürfnissen ihrer Kunden anpassen. Kunde ist aber nicht gleich Kunde, Marke ist nicht gleich Marke und das Ganze variiert natürlich auch je nach Standort. Hinzu kommen andere Einflussfaktoren, wie etwa Zeitdruck oder die Möglichkeit, überhaupt ein Auto problemlos testen zu können, ein Problem, das in den Megacities zunimmt. Im Kern ist somit ein mehrdimensionaler Entscheidungsraum systematisch auszugestalten. Manches geht hier, anderes vielleicht nicht. Ein Beispiel: Wenn BMW den BMWi3 über das Internet verkauft, mag dies funktionieren, weil es einen Vertrauensvorschuss einer Marke mit starkem Image gibt und man zudem noch Vertrauensanker durch Händler in der Nähe hätte. Bei einem Qoros, dem chinesischen Automobilhersteller, der den europäischen Markt erobern will, wäre die Schlussfolgerung sicherlich eine andere.

Der wichtigste Kontaktpunkt ist das Produkt.

Zum einen müssen die Bedürfnisse nach Convenience und Individualisierung des online affinen Kunden zufrieden gestellt werden. Zum anderen darf aber auch der wichtigste Kontaktpunkt, nämlich das Auto selbst, bei allen Marketingüberlegungen nicht unter den Tisch fallen. Hier gilt es die richtige Brücke zwischen online und offline Strategie zu schlagen. Bei den möglichen Optionen kann die Marke als Enabler oder als Begrenzer fungieren. Doch bei allen denkbaren Optionen: Die meiste Begeisterung schafft man nach wie vor über das direkte Erlebnis mit dem Auto – eben über „Freude am Fahren“.

Orchester oder Jukebox?

Ich erinnere gerne noch an eine Empfehlung von McKinsey-Beratern, die wir in einem geradezu anachronistisch anmutenden Bentley-Werk in Crewe diskutierten. Dort wurden in himmlischer Ruhe Autos kunstvoll und mit höchster Präzision und Hingabe gebaut. Es ging darum, dass man sich auf manchen Bühnen der Welt die Orchester ohne Qualitätsverlust durch Technik ersetzen kann. Wir alle stellten uns in den heiligen Hallen von Bentley dann nur eine Frage: Ist das Erlebnis dann noch das Gleiche?

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