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„Es ist schlicht rentabler, Kund:innen zu binden als Neukund:innen zu gewinnen.“

Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch im Interview mit dem STRIVE-Magazin

Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch I ESCH. The Brand Consultants GmbH
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch
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    In der aktuellen Ausgabe des Magazins STRIVE steht das Thema „Loyalität“ im Mittelpunkt. Kundenbindung oder Neukundengewinnung? Was ist für ein Unternehmen rentabler? Prof. Dr. Esch beantwortet die Fragen hierzu im Interview mit dem Magazin:

    Warum lohnt sich Kund:innenbindung – im Jargon auch „Loyalty“ genannt –  und gehört zum kleinen Einmaleins von Marketing und Vertrieb?

    Kundenbindung und Loyalität sind für mich zwei paar Schuhe. Kunden können sich einer Marke gegenüber loyal verhalten, also wiederholt kaufen, ohne dass sie eine emotionale Bindung zu dieser empfinden. Z.B., weil sie gewohnheitsmäßig immer das Gleiche kaufen (eingefrorene Verhaltensweise), weil es keine echten Alternativen gibt oder weil sie vertraglich oder durch Systeme an eine Marke gebunden sind (Lebensversicherung, SAP-Software). Die emotionale Kundenbindung ist mithin die stärkere Währung.

    Kundenbindung lohnt sich, weil es schlicht rentabler ist, Kund:innen zu binden als Neukund:innen zu gewinnen. Grob geschätzt ist es sechs bis sieben Mal so teuer, neue Kund:innen zu gewinnen als vorhandene zu halten. Verhindern Unternehmen nur fünf Prozent der Abwanderung, steigt die Rentabilität je nach Branche um 25 bis 95 Prozent.

    Die Gründe dafür liegen auf der Hand:

    • loyale Kunden kaufen mehr,
    • sie sind weniger preissensibel,
    • loyale Kunden entwickeln sich und wachsen mit der Marke (Cross- und Upselling), beispielsweise starten Sie mit einer Louis Vuitton Speedy, rüsten dann auf mit einer Capucines, Parfum, Schmuck und Bekleidung,
    • sie betreiben positive Mundpropaganda und sind Advokaten der Marke.

    Zudem können Kunden mit starker Bindung auch viele Impulse und Ideen für neue Produkte und Services liefern, so wie die Lego-Community, auf der viele neue Lego-Produkte beruhen.

    Dadurch steigt der Kundenwert über die gesamte Lebensdauer eines Kunden erheblich.

    Wie steht dies im Verhältnis zur Neukundengewinnung und was bedeute Churn für Unternehmen?

    Für neue Kund:innen sind die Akquisekosten für Unternehmen deutlich höher: Sie müssen Bekanntheit erringen, ins Set möglicher Alternativen gelangen und Kunden mit einem begehrenswerten Image anzuziehen. Entsprechend sind mehr Investments in Werbung und Vertriebsmaßnahmen erforderlich. Teilweise werden auch günstige Lockangebote gemacht, um Neukunden zu gewinnen, wie etwa im Mobilfunk.

    Kund:innen durch Churn zu verlieren, kostet das Unternehmen umgekehrt Umsatz, und es verliert außerdem Markenbotschafter:innen.

    Wer mit einem Produkt oder Service und damit einer Marke zufrieden ist, erzählt das seinen Freund:innen. Leider ist der Effekt negativer Mundpropaganda, z.B. bei Unzufriedenheit, stärker als der positiver. Positive Erlebnisse zu einer Marke bleiben im Durchschnitt bis zu 6 Monate im Gedächtnis, negative Erlebnisse hingegen 5 Jahre.

    Was können Unternehmen tun, um Churn verhindern?

    Wenn Kunden sich von einer Marke abwenden, erfüllt diese nicht mehr die an sie gestellten Erwartungen oder andere Marken wirken begehrlicher. Deshalb müssen Marken das, was sie in der Kommunikation propagieren, auch liefern. Es gilt das Motto: You can’t build a brand around an empty promise.“ Marken müssen ihr Versprechen an allen Kontaktpunkten mit Kunden erfüllen. Wird die erwartete Leistung aus Sicht der Kunden nicht erbracht, schwächt dies dauerhaft die  Strahlkraft der Marke.“

    Bei starken Marken gibt es einen doppelt positiven Effekt. Per se kaufen mehr Kund:innen eine starke Marke, und es wandern weniger Kund:innen von einer starken Marke ab.“

    Unternehmen müssen durch Produkte und Services die Leistungen bringen, die Käufer:innen von ihnen erwarten. Gelingt es, die Marken an den unterschiedlichen Kontaktpunkten weiter emotional aufzuladen und eine Beziehung zum Kunden aufzubauen, vertieft dies die Bindung. Louis Vuitton macht dies durch das Erleben im Laden sowie persönlichen Betreuern, BMW mit Driving Experience und anderen Events, Jägermeister mit dem Auftritt auf Festivals und Konzerten und Red Bull mit eigen Sportveranstaltungen, die die Werte der Marke vermitteln und Fans zusammenbringen.

    Wer die nötigen Datenpunkte hat, analysiert, wie sich Kund:innen in der Vergangenheit verhalten haben, bevor sie dann kündigen oder aufhören zu kaufen. Wenn Unternehmen ähnliche Muster im Verhalten von Bestandskund:innen feststellen, können sie schließlich noch reagieren.

    Was schafft Bindung?

    Aus meiner Sicht sind es zwei Dinge: 1. Die Strahlkraft von Marken, die es schaffen, durch ein einzigartiges und relevantes Profil Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen als Wettbewerber. 2.  Die tiefe Verankerung im Leben der Kunden und die ganzheitliche und nahtlose Begleitung der Kunden auf der Kundenreise in der Form, dass diese in einen Loyalty Loop kommen. Eine Marke wie Apple hat eine große Strahlkraft. Sie  steht seit vielen Jahren  für die gleichen Vorstellungen:  die Einfachheit der Nutzung, das schöne Design, die Kund:innenzentrierung, und natürlich das Anderssein, das Apple schon immer gelebt hat und in dem alten Slogan „Think different“ Ausdruck fand

    Inwiefern bleiben Kund:innen aber auch bei Apple, weil die Geräte im firmeneigenen Ökosystem so reibungslos zusammenarbeiten?

    Apple macht es den Menschen durch das Ökosystem vom iPhone, iWatch, iPad, MAC bis zur VR-Brille bequem und einfach. Durch die volle Funktionalität  befinden sich Menschen in einen goldenen Käfig, ohne es wirklich zu realisieren, weil sie es mögen.

    Kann man auch sagen, dass dieser Effekt zumindest anfangs wohl auch eine Rolle für den Kaffeekapsel-Hersteller Nespresso spielte?

    Nespresso hat eine völlig neue Produktkategorie ins Leben gerufen und eine eigene, geschlossene Erlebniswelt geschaffen. Von den Spots mit George Clooney, die Exklusivität, gehobenen Lebenstil und Lebensfreude vermitteln, über die eigenen, hochwertig gestalteten Shops, die Nespresso-Maschinen, die Nespresso-Kapseln und deren kongeniale Verpackung sowie den immer wieder inspririerenden Produktangeboten. Das führt viele Menschen in den Loyalty Loop und das, obwohl viele anderen Hersteller zumindest die Kapseln kopieren, aber eben nicht das Ökosystem von Nespresso. Insofern spielt das Ökosystem und die geschlossene Kette relevanter Kontaktpunkte für Kunden eine große Rolle, um diese in den Loyalty Loop zu führen.

    Nespresso repräsentierte bei seiner Markteinführung eine völlig neue Produktkategorie, auch der Markenname war neu. Doch Mutterkonzern Nestlé konnte beides erfolgreich etablieren. Warum ist das bei anderen neuen Produktgattungen nicht gelungen? Wie Bubble Tea oder Dubai-Schokolade? Bubble Tea ist komplett in der Versenkung verschwunden, Dubai-Schokolade mit Pistazienfüllung brachte es bisher nur zu diversen Sondereditionen etablierter Hersteller wie Lindt oder Ritter Sport.

    Beim Bubble Tea sind es vor allem kulturelle Unterschiede, die verhindert haben, dass hierzulande Marken entstehen. In Asien ist Bubble Tea ein fester Bestandteil der Gesellschaft und Kultur, in Deutschland war es ein kurzfristiger Trend, auf dem sich kein eigener Markenaufbau lohnt.

    Dubai Schokolade ist aus meiner Sicht ebenfalls ein kurzfristiger Hype, der wieder nachlassen wird. Ein kurzfristiger Hype eignet sich aber nicht für den Aufbau einer Marke, weil sich Investments in eine neue Marke erst über einen längeren Zeitraum amortisieren können. Deshalb hat Lindt es genau richtig gemacht, als das Unternehmen die Pistazien-Tafeln als Limited Edition herausbrachte: Lindt hat die Dubai-Schokolade sehr gut mit seinem Markenimage und mit dem Markenbild verknüpft. Die Schweizer konnten so ihre Positionierung als exklusive Lieferanten von Schokoladen-Spezialitäten schärfen. Als zeitlich begrenzte Limited Edition haben sie die Begehrlichkeit noch mal gesteigert. Und sie konnten neue Preispunkte erproben, weil die Schokolade immens teuer war.“

    Abschließend: Was sind aus Ihrer Sicht die fünf Irrtümer der Kundenbindung?

    Die fünf Irrtürmer der Kundenbindung:

    1. Jede Marke muss zur Love Brand werden
      „Wenn Sie eine Aspirin nehmen, und sie hilft Ihnen“, sagt Markenprofessor Esch, „dann muss das keine Love Brand sein“. Sie muss einfach nur gut gegen Kopfschmerzen helfen – also das Problem lösen. „Dann werden Sie immer wieder Aspirin nutzen.“ Die wenigsten Marken sind Love Brand. Wichtig ist, dass Marken für etwas spezielles stehen und ein klares Profil haben. Das bindet.
    1. Begeisterung ist die wichtigste Währung
      Viele Unternehmen investieren in aufwändige Werbung, teure Events und Sponsorings, um Kunden zu begeistern. Begeisterung ist eine Momentaufnahme, Zufriedenheit ein längerfristiger Zustand.  Am Ende zählt aber das Produkt und der Service. Dabei wäre es viel einfacher: „Wer kriegt, was er erwartet, kommt wieder“, sagt Markenprofessor Esch. Denn das erhöht nachhaltig die Zufriedenheit. Und da zählt zunächst das Produkt und der Service. Erst dann kommt die „Peripherie“.
    1. Ein gutes Produkt ist wichtiger als guter Service
      Kund:innen beschweren sich häufiger über schlechten Service als über das Produkt, denn die Entscheidung fürs Produkt haben sie selbst getroffen. Dem Service aber sind Kund:innen ausgeliefert. Guter Service ist deshalb unter Umständen wichtiger für die Bindung.
    1. Marken dürfen Kund:innen niemals enttäuschen
      Kund:innen binden heißt nicht unbedingt, dass sie stets und ohne Ausnahme zufrieden sind. Untersuchungen zeigen: Wer sich beschwert, sich dann aber ernstgenommen fühlt – noch besser: wer sein Problem gelöst bekommt -, der ist zufriedener (und gebundener) als vorher.
    1. Kundenbindung ist Sache des Marketings
      Kundenbindung ist eine unternehmensweite Aufgabe, warnt Markenexperte Esch. Alle Abteilungen müssen daran arbeiten. „Es geht darum, von einem produktzentrierten Unternehmen zu einem kundenzentrierten Unternehmen zu werden. Das zahlt sich nachweislich aus.“

    Hier geht’s zum Magazin:

     

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